Vorgeschichte
Im Mai 1708 war Kurprinz Georg August von Braunschweig-Lüneburg (ugs. „Kurfürstentum Hannover“), der spätere englische König Georg II., in Begleitung des Geheimen Rats von Eltz, des Obersten von Oeynhausen und des Stallmeisters von Campe im Lager des Herzogs von Marlborough bei Terbrouck eingetroffen, wo er mit größter Ehrerbietung empfangen wurde. Hier wurde er bald Zeuge einer bemerkenswerten Waffentat hannoverscher Truppen, als die sich am 10. Juni unter dem französischen Marschall Herzog Vendôme in Richtung Gent zurückziehenden Franzosen von dem hannoverschen Generalmajor Alexander von der Schulenburg derart scharf attackiert wurden, dass den Verfolgern der französische Tross mit einer beträchtlichen Beute und kostbaren Wertgegenständen in die Hände fiel. Knapp einen Monat später hatten Marlborough und der die hannoverschen Truppen kommandierende Generalleutnant Cuno Josua von Bülow in Begleitung des Kurprinzen Anfang Juli ihr Lager bei Asch (auch Assche) im Herzogtum Brabant aufgeschlagen, als Prinz Eugen von Savoyen am 6. Juli dort eintraf. Er hatte seine in drei Abteilungen gegliederten Truppen Ende Juni von der Mosel über Düren auf Maastricht in Marsch gesetzt; sie sollten bis spätestens Mitte Juli Brüssel erreichen. Voller Ungeduld war er dann mit einer großen Abteilung österreichischer Husaren seiner Armee vorausgeeilt, um rechtzeitig vor der bevorstehenden Schlacht auf dem nördlichen Kriegsschauplatz einzutreffen. Die beiden Feldherren beschlossen nun, die Ankunft dieser Verstärkungen nicht abzuwarten, sondern den Gegner südlich zu umgehen und ihn mit überraschend veränderter Front zur Schlacht zu stellen. Im Kriegsrat der Alliierten, an dem auch der Kurprinz teilnahm, wurde gemeinsam nun der Übergang über den Fluss Dender beschlossen.
Das Ereignis
Am 8. Juli brach Marlboroughs Generalquartiermeister, der englische Generalmajor Cadogan, mit einer Vorhut von 8 Bataillonen Infanterie, 8 Eskadronen Kavallerie, 300 Husaren und 12 Geschützen sowie den Pontons auf, um bei Lessines Brücken über die Dender zu schlagen. Die Armee folgte früh am 9. Juli und hatte den Übergang am 10. Juli abends beendet. Cadogans Vorhut wurde um weitere 8 Bataillone verstärkt und nach dem kleinen Festungsstädtchen Oudenaarde an der Schelde entsandt, um dort auf dem jenseitigen Ufer einen Brückenkopf zu bilden. Gerade hatte er in Begleitung des Kurprinzen mit seinen Truppen den Übergang über eine Brückenstelle bei Oudenaarde vollzogen, als kurze Zeit später eine große Vorhut des feindlichen Heeres auftauchte. Bald darauf verließ der Prinz den englischen General, sprengte zu den seitwärts haltenden Eskadronen des hannoverschen Leibregiments hinüber, setzte sich an die Spitze der Leib-Eskadron und führte zusammen mit dem Oberst Johann Albrecht von Lösecke die Reiter gegen den Feind.
Von einer Kugel getroffen, stürzte das Pferd des Kurprinzen, der nun vor den feindlichen Reitern zu Fuß flüchtete und gleichzeitig fürchten musste, unter die Hufe der eigenen Reiter zu geraten. Oberst v. Lösecke sprang ab und übergab sein eigenes Pferd dem Prinzen. Zugleich schoss ein weiterer berittener Offizier (Adjutant?), der die Aktion deckte, mit einer seiner Pistolen auf die angreifenden Franzosen und bewahrte den Prinzen so vor der Gefangenschaft ¹. Im nächsten Augenblick wurde Oberst von Lösecke von einer Kugel getroffen, der Prinz setzte jedoch den Angriff an der Spitze des Leibregiments fort und warf den Gegner, wenn auch unter hohen Verlusten seiner Reiter.
In Folge dieses Vorgefechtes entwickelte sich nun die Schlacht bei Oudenaarde und endete mit einem glänzenden, allerdings auch blutigen Sieg der Verbündeten. Der Kurprinz, der bis dahin an der Seite des Generals v. Bülow geblieben war, eilte nach Beendigung der Schlacht an den Platz zurück, wo Oberst v. Lösecke gefallen war, ohne ihn aber dort zu finden. Er erfuhr, dass man den Oberst zu einem Haus in der Nähe von Oudenaarde gebracht hatte; hier fand er ihn im Sterben liegend. Dieser verstarb am folgenden Morgen und wurde in Oudenaarde bestattet. Der dankbare Kurprinz setzte den Kindern des Obersten eine Pension aus, die diesen und deren Erben langjährig bis in das Jahr 1763 von der britischen Krone ausbezahlt wurde.
Die Darstellung mit Zinnfiguren
Zur Darstellung dieses Ereignisses mit Zinnfiguren waren ursprünglich 1979 entsprechende Figuren für die Szene mit dem flüchtenden Kurprinzen unter der Bezeichnung „Kurprinz August bei Oudenarde“ von Herrn Pastor Otte (siehe ZF 8/79) herausgegeben worden. Die Offizin GO-Golberg hat lange Zeit diese Mini-Serie mit der Kurprinzengruppe zu 4 Figuren (einschließlich des toten Pferdes) angeboten; infolge Formenwechsels sind diese Typen inzwischen ebenfalls langjährig bei der Offizin Wilken unter der Bezeichnung „Der Kurprinz von Lüneburg-Celle bei Oudenaarde 1708“ erhältlich.
Für die Darstellung des anreitenden Hannoverschen Leibregiments verwendete ich geeignete Figuren von Wilken (ehemals Golberg), und für die Franzosen im Angriff habe ich passende Typen von Wagner gefunden, die von der Offizin Berliner Zinnfiguren – bereits gut bemalt –ebenfalls antiquarisch angeboten wurden.
Hinsichtlich der historisch genauen Bemalung tut man sich erfahrungsgemäß aufgrund der relativ mageren Quellenlage zu dieser Zeitepoche recht schwer. Für die am Spanischen Erbfolgekrieg teilnehmenden Persönlichkeiten des Hochadels galt grundsätzlich überhaupt kein Reglement, ebenso kleideten sich viele Generale immer noch nach eigenem Geschmack und mehr oder weniger prächtig, mit goldenem oder silbernem Tressenbesatz auf den farbigen Röcken und Westen. Für die Bekleidung des Kurprinzen habe ich mich für einen gold-betressten roten Rock mit rotem Aufschlag bei ebenfalls roter Unterkleidung entschieden und werde ihn so bemalen. In roter Uniform sieht man ihn auch noch 1743 als King George II. in der Schlacht bei Dettingen.
Das Hannoversche Leibregiment zu Pferd trug seit 1698 rote Röcke mit blauem Futter, blauen Ärmelaufschlägen und silbernen Knöpfen. Das Kolett war an den Kanten mit silbernen Tressen besetzt.
Die roten Karabiner-Bandeliers waren mit goldener Tresse eingefasst. Ebenso zeigten die Offiziersröcke goldenen Tressenbesatz. Eine Standarte (des hier als „Leibgarde“ bezeichneten Regiments) hatte auf weißem Blatt ein steigendes silbernes Ross, umgeben von zwei gebundenen goldenen Palmenzweigen und überhöht von einer Krone ². Das Tuch der Standarte war an den offenen Seiten eingefasst mit goldenen Fransen. Diese Standarte fiel allerdings 1693 in der Schlacht von Neerwinden den Franzosen in die Hände; dass sie mit gleichem oder ähnlichem Dekor erneuert worden ist, kann daher zwar nur vermutet werden, ist aber sehr wahrscheinlich.
Zur Zeit der Schlacht von Oudenaarde 1708 waren die ehemals weißgrauen Filzhüte der gesamten hannoverschen Kavallerie entsprechend den Änderungen in der Mode schon durch dreiseitig aufgeschlagene schwarze Dreispitze mit Borteneinfassung ersetzt worden.
Oberst v. Lösecke, obgleich z. Zt. beim Leibregiment eingesetzt, wird wohl die Uniform der Bülow-Dragoner weiter getragen haben, bei denen er ja Chef der 2. (Oberstleutnants-) Kompanie gewesen ist. Dieses Regiment trug weiße Röcke mit hellblauen Aufschlägen und Futter, gelben Knöpfen, die ledernen Kolletts mit hellblauer Kollettborte an den Kanten besetzt und an den Schößen zurückgeschlagen. Offiziere hatten zudem goldene Bandschleifen an den Knöpfen der Ärmelaufschläge (und des Rocks?) sowie ebenfalls goldene Tressen auf den Patten der Rocktaschen. Der Hut war mit Goldtresse eingefasst. Dazu trugen sie für alle Offiziere die seit 1705 eingeführte gelbe (hannoversche) Feldbinde.
Die mir zur Verfügung stehenden Abbildungen von Offizieren der Bülow-Dragoner bei Preben Kannik und Bomann-Museum zeigen jedoch jeweils starke Abweichungen in den Details der Uniform. So ist der Rock des Offiziers von 1706 bei P. Kannik nicht in den Schößen aufgeschlagen, hat keine Bandschleifen an den Knöpfen der Vorderseite, und auf den Ärmelaufschlägen auch nur die gewöhnlich vorkommenden drei Knöpfe, allerdings hier mit Bandschleifen. Im Übrigen erscheint die Abzeichenfarbe eher dunkelblau als hellblau. Bei dem Uniformbild des Bomann-Museums trägt der Oberst von 1708 einen in den Schößen aufgeschlagenen Rock mit Rabatten, diese in Abzeichenfarbe, hierauf beidseitig jeweils 8 goldene Bandschleifen. Darüber hinaus haben die Ärmelaufschläge jeweils 4 Knöpfe mit Schleifenbesatz.
Bei der Bemalung werde ich mich für einen Kompromiss entscheiden, der auch der Gravur Rechnung trägt.
Aufgrund fehlender Angaben hinsichtlich der angreifenden Franzosen habe ich für diese das Reiterregiment „Bourgogne“ mit blauen Röcken und roten Abzeichen gewählt, welches an der Schlacht von Oudenaarde nachweislich teilgenommen hat. Die Figuren stammen von Wagner; es gibt jedoch von anderen Offizinen ebenfalls passende Figuren französischer Reiter im Angriff.
Anmerkungen:
¹ Diese Darstellung ist m. W. nicht belegt, könnte sich jedoch so zugetragen haben. Fest steht jedenfalls, dass die Franzosen durch den Gegenangriff an einer Gefangennahme des Kurprinzen gehindert wurden.
² nach Golberg / Belaubre, siehe Quellen
Quellen:
– Wilhelm Havemann, „Geschichte der Lande Braunschweig und Lüneburg“, Lüneburg 1837
– Johann Friedrich Graf v. d. Decken, in „Vaterländisches Archiv des historischen Vereins für Niedersachsen“, Lüneburg 1836
– C.-P. Golberg, J. Belaubre, Hefte für den Modellfigurensammler, Heft 18 „Lüneburg–Celle/Hannover“, Kaltenkirchen 1995
– P. Kannik, „Uniformen in Farben“, Berlin o. J., hieraus Bild Nr. 55
– Knötel-Sieg, „Handbuch der Uniformkunde“, Nachdruck Hamburg 1971
– Uniformbild Nr. 5 des Bomann-Museums in Celle mit der Abb. „Oberst vom Dragoner-Regiment v. Bülow, 1708“
Gerriet Stenvers