Die Garde-Grenadiere von Kurpfalz

Farbtafel
Die Garde-Grenadiere von Kurpfalz im Spanischen Erbfolgekrieg
1700-1713

Historischer Hintergrund

1685 war das Kurfürstentum Pfalz nach Aussterben des evangelischen Hauses Pfalz-Simmern an den katholischen Herzog Philipp Wilhelm aus dem Hause Pfalz-Neuburg gefallen. In dessen kurzer Regierungszeit von 1685 bis 1690 ereignete sich die berüchtigte Invasion der französischen Truppen Ludwigs XIV. und die verheerende Zerstörung der Pfalz 1688/89. So erbte Kurfürst Johann Wilhelm, der „Jan Wellem“ der Düsseldorfer, 1690 ein vom
Krieg „der verbrannten Erde“ schwer verwüstetes Land.
Johann Wilhelm, ein überzeugter Katholik, wurde im Jahr 1705 von den protestantischen Verbündeten im Spanischen Erbfolgekrieg genötigt, die „Religionsdeklaration“ zu unterzeichnen, in der die Rückgabe der protestantischen Kirchen versprochen und die Unterdrückung der Protestanten beendet wurde. Verärgert darüber, verlegte der Kurfürst seine Residenz nun endgültig in das katholische Herzogtum Berg nach Düsseldorf, wo er aufgrund des Pfälzischen Erbfolgekrieges und der Zerstörung Heidelbergs schon vorher residierte. Immerhin konnte er durch sein Bündnis mit dem Kaiser und später auch mit den Seemächten England und den Niederlanden wenigstens Jülich und Berg vor Kriegsschäden schützen; die Pfalz dagegen hatte immer wieder unter den Aufmärschen und Durchzügen der verschiedenen Heere zu leiden. Die Neuburgischen Gebiete litten in den ersten Kriegsjahren insbesondere unter der Nähe zum gegnerischen Kurbayern. Höchstädt, wo 1703 und 1704 bedeutende Schlachten geschlagen wurden, liegt auf Pfalz-Neuburgischem Territorium. Die obere Pfalz, ihm nach der Ächtung des bayerischen Kurfürsten Max-Emmanuel zugesprochen, konnte Johann Wilhelm aber nicht über den Friedensschluss hinaus behaupten, sondern musste sie an Kurbayern zurückgeben. Zwei Jahre nach dem Spanischen Erbfolgekrieg starb Johann Wilhelm und wurde in der Hof- und Jesuitenkirche St. Andreas in Düsseldorf beigesetzt.

Jan-Wellem – Denkmal vor dem Rathaus in Düsseldorf
Bild: Wikipedia, von Wiegels (Eigenes Werk) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) oder CC BY 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0)], via Wikimedia Commons

Allgemeines zu Uniform und Ausrüstung der Kurpfälzischen Infanterie

Im Allgemeinen war vor 1708 der Rock der Infanterie dunkel- oder mittelblau, das Kamisol (Ärmelweste) in der Abzeichenfarbe von Futter und Aufschlägen, die Hose weiß oder mittelblau und die Strümpfe weiß. Dazu wurden 2 helle lederfarbene Patronentaschen getragen, eine große am Bandelier und eine kleine (Kartusche) vorne am Leibriemen. Erst 1708 tauchen Hinweise auf schwarze Taschen auf.
Als besonderes Merkmal hatten alle Pfälzer Truppen sog. „Nesslinge“ oder Nestlinge. Der Nestling war ein geflochtenes Achsel- oder Schulterband in Abzeichenfarbe auf der rechten Schulter.
Trommler hatten generell die Uniform des Regiments mit Tambourborten ausgeschmückt, vor 1708 können aber auch „gewechselte Farben“ getragen worden sein. In diesem Fall hatten die Röcke die Abzeichenfarbe des Regiments, während Aufschläge und Futter die Farbe der Mannschaftsröcke aufwiesen. Die Trommeln waren in den Farben weiß/blau angestrichen, darauf in einem Medaillon Namenszug oder Wappen des Kurfürsten unter dem Kurhut.

Die Offiziere unterschieden sich durch Tressenbesatz auf Rock und teilweise auch auf der Weste von den übrigen Soldaten; andersfarbige Röcke sind zwar nicht belegt, können aber entsprechend der Freizügigkeit und der Praxis in anderen Heeren in dieser Epoche nicht ausgeschlossen werden. Dazu hatten Leutnant und Fähnrich ein „spanisches Rohr“ ohne Knauf, der Kapitän mit Knauf aus Elfenbein, Major und Oberstleutnant mit Knauf aus Silber, Oberst mit Knauf aus Gold.
Feldwebel und Korporale trugen generell die Regimentsuniform mit einer goldenen Tresse um die Aufschläge, aber tatsächlich auch öfter rote Röcke, obgleich dies nicht in den Archiven bestätigt ist. Dazu führten sie einen hölzernen Stock aus Haselnuss und ein Kurzgewehr in Form einer Hellebarde. Unteroffiziere, Feldscherer, Fouriere und Zimmerleute trugen lediglich die kleine Kartusche vor dem Leib.
Ab 1703 waren die Grenadiermützen der Regimenter aus Stoff, vorn auf dem Schild der Namenszug „JWC“. 1707 werden erstmalig Grenadiermützen aus Bärenfell erwähnt, und nach 1708 trugen die Grenadiere generell Bärenfellmützen. Die Grenadiertaschen waren nun mit 4 Messinggranaten in den Ecken und mit einem Messingschild in der Mitte versehen.
Grenadieroffiziere und –unteroffiziere hatten Bajonettflinten mit stets aufgepflanztem Bajonett.
1702 wurden bei der Infanterie die Pikeniere abgeschafft, so dass die Regimenter – mit Ausnahme der Grenadiere – nur noch aus Musketieren bestanden. Jedoch hatte das Regiment z. F. „Lybeck“ bis 1704 weiter 160 Pikeniere, die dann in Grenadiere umgewandelt wurden.

Das Regiment z. F. „Garde Grenadiere“

1698 wurde aus den Grenadierkompanien der Fußregimenter Lybeck, Sachsen-Meiningen, Bourscheidt und Wurtbye das Regiment zu Fuß „Garde Grenadiere“ errichtet.
1701 hatte das Regiment 16 Kompanien in 2 Bataillonen. Oberstinhaber war General Johann Ernst Graf von Nassau-Weilburg. Kommandeure waren zunächst Oberst Otto Frhr. von Rehbinder, später dann Oberst Stephen Johann v. Coppé, danach ab 1707 Oberst Graf v. Friese und ab 1712 Oberst v. Kuhla. Ab 1704 war angeblich ein Bataillon in holländischen Diensten.

Gefechtskalender:
1701 in der Garnison von Düsseldorf zunächst noch mit 10 Kompanien, dann 8 Kompanien; die anderen 8 Kompanien gehen als Besatzung nach Köln,
1702 an der Lauter mit 12 Kompanien, 4 Kompanien sind im Lager von Mühlheim/Ruhr, 1703 Postierung in den Stollhofener Linien mit 2 Bataillonen, Soll-Stärke 1280 Mann, am Gefecht am Speyerbach nimmt nur 1 Btl. teil,
1704 Postierung in den Stollhofener Linien, an der Belagerung von Landau nimmt 1 Btl. mit etwa 400 Mann teil,
1705 Belagerung von Drusenheim, 2 Bataillone, 1440 Mann,
1706 Postierung bei Philippsburg, 2 Bataillone, 967 Mann, 323 Mann fehlen, 166 sind desertiert,
1707 1 Btl. zunächst in der Garnison von Philippsburg, später dann 2 Btl. im Lager von Ettlingen,
1708 Im März Soll-Stärke 1280, Ist = 800, bei der Belagerung von Lille große Verluste,
(ab 1709 gem. Ordre de Bataille noch 1 Bataillon zu 800 Mann in Flandern, in eigenem Sold, aber Brot und Fourage durch die Seemächte),
1709 1 Btl. Belagerung von Tournai, Schlacht von Malplaquet,
1710 1 Btl. Belagerung von Douay,
1711 1 Btl. mit 640 Mann beim Neutralitätskorps in Schlesien, in eigenem Sold, aber Verpflegung durch Holland,
1712 Verteidigung von Denain, 794 Mann in Sold und Verpflegung der Seemächte, Verluste 81 tot, 83 verwundet,
1713 Musterung in Mannheim in Kaiserlichem Sold: Juni 768 Mann, Juli 800 Mann, Verteidigung der Rheinschanze bei Mannheim

Uniformierung:
Vor 1705 sind mir keine genaueren Angaben zur Uniformierung bekannt. Es können daher nur die vorstehenden allgemeinen Angaben zugrunde gelegt werden.
Für 1705 sind Rock und Hose dunkelblau, Futter, Aufschläge, Nestling und Kamisol rot. Nach einem Aktenstück von 1706 tragen die Grenadiere dazu „spitze, weißfilzene Kappen (Mützen) mit roten Zipfeln und den verschlungenen Initialen Johann Wilhelms auf der Stirnseite….“. Nach einer weiteren Quelle vom 28.2.1705 erhält das „Guarde Granadier Regiment blawe Röcke mit rothen auffschlägen, roth camisoll undt blawe hosen vor 32 Sergeanten undt 1200 gemeinen, worinnen die Übrige Unterofficiers, Tambouren undt sönsten mit Einbegriffen, also zu sammen Eintausent zwey hundert dreißig zwey Köpfe.“
Danach trugen auch die Unteroffiziere und Tambours ab 1705 die Regimentsuniform in den gleichen Farben wie die Grenadiere.
Nach einer Abbildung bei Golberg/Hall haben die Grenadiere im Gegensatz zu den allgemeinen Angaben keine weißen, sondern schwarze Strümpfe. Zur dortigen Abb. der Grenadiermütze ist allerdings zu bemerken, dass hier der Beutel in der Rekonstruktion verkürzt und nicht frei hängend dargestellt wird.

Farbtafel

Fahnen: Kompaniefahnen rot mit dem Kurfürstlichen Wappen, Leibfahne (Obristenfahne) weiß.
Die Wappen in den Kompaniefahnen geben den Hinweis auf ein Garderegiment und die rote Farbe entspricht der Abzeichenfarbe der Garde Grenadiere. Die Wappenschilder auf den Kompaniefahnen sind mit der Ordenskette des Goldenen Flieses umrahmt, die Oberstfahne trägt nur diese Ordenskette ohne Wappen. Der Wahlspruch des römischen Kaisers Konstantin „In hoc signo vinces“ („Unter diesem Zeichen wirst Du siegen“) zusammen mit dem Kreuz des Deutschen Ordens weist auf die Verbindung zum Deutschen Orden hin.

Zinnfiguren zum Pfälzischen Regiment „Garde Grenadiere“ bzw. „Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz“

Soweit mir bekannt, gibt es passende Flachfiguren (30 mm) für Grenadiere mit Beutelmützen um 1700 bei den Offizinen Fleesensee, Ochel, Wagner (über Grünewald) und Wilken. Aus meiner Sammlung stammen die abgebildeten Grenadiere (vor 1705 im Vorgehen) von Wilken (ehem. Golberg).

Foto: SF Richter

 

 

 

 

 

Foto SF Richter

 

Wer es lieber ziviler mag, ist sehr gut mit der Vollrath-Serie „Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz besichtigt sein Reiterdenkmal im Gießhaus zu Düsseldorf 1711“ bedient. Diese Serie ist meines Wissens auch heute noch bei Frau Erika Ochel erhältlich.

Quelle:
„Kurfürstentum Pfalz unter Kurfürst Johann Wilhelm 1690 bis 1716“ von C.-P. Golberg und R. Hall, Selbstverlag Golberg 1999

Gerriet Stenvers