Johann Gottfried Kinkel

Der Name Johann Gottfried Kinkel wird hier im Norden vermutlich fast niemandem nichts sagen. Dem Autor dieser Zeilen bis 2019 übrigens auch nicht. J.G. Kinkel gilt als einer der bedeutendsten Persönlichkeiten der 1848/1849er Revolution im Rheinland (ein gut lesbarer Artikel hierzu findet sich [hier]  ). Daneben aber (und für uns zinnfigurenbefreundete Zeitgenossen viel wichtiger) hat dieser Theologe, Kunsthistoriker und Dichter (1815-1882) jedoch noch einen anderen Verdienst – er inspirierte die 2019er Jahresfigur der KLIO Landesgruppe Rheinland-Süd.

Ihm sei posthum, dem Zeichner Friedrich Giesler und dem Graveur W. Otto gegenwartsbezogen Dank dafür. Der (seit 1989 in der rheinischen Diaspora lebende, aber der baldigen Rückverpflanzung in die Heimat in Angeln harrende) schleswig-holsteinische Autor dieser Zeilen (und Mitglied o.g. Landesgruppe) dachte bei 1848 natürlich nicht zuerst an die 48er Revolutionswirren in und um Bonn herum, sondern an den oprør im eigenen Lande zwischen den Meeren zu dieser Zeit. Und kam (über ein – zwei Pfeifchen und Gläschen Heimerheimer Landskrone Spätburgunder ) zu der Idee, dem fahnenschwingenden Herrn Kinkel mal eine Persönlichkeitsveränderung angedeihen zu lassen und ihn an die Ostsee zu verpflanzen. Und von nun an wird’s zinnfiktiv …

Jubelnd (das Schleswig-Holsteinlied vor sich hinsummend und wahrscheinlich noch von etlichen Köms intoxiert) schwenkt Theodor Graf von Reventlow / Reventlou (die Gesichtszüge der 2019er KLIO RL-Süd Jahresfigur ähneln dem Herrn Grafen frappierend .

Wer führte dem Zeichner Friedrich Giesler da wohl die Hand ?) am 26.03.1848 (zwei Tage nach Ausruf der Provisorischen Gemeinsamen Regierung Schleswig-Holsteins am 23.03.1848 in Kiel) die Schleswig-Holstein Fahne am Ostseestrand (dies fiktiv vmtl. bei dem in Reventlow’schem Familienbesitz befindlichen Gut Altenhof südlich Eckernförde).

Dass mit der Ausrufung der Gemeinsamen Provisorischen Regierung in Schleswig-Holstein ein drei-jähriger Krieg um die (letztendlich zunächst doch nicht erreichte) Unabhängigkeit Schleswig-Holsteins in der nun nur noch angestrebten Personalunion mit dem dänischen König ausgelöst wurde, dürfte dem Herrn Grafen (wie auch wohl der Provisorischen Regierung wie auch vielen Menschen in Kiel wie auch in Kopenhagen sowie im dänischen Gesamtstaat – zu dem die Herzogtümer Schleswig und Holstein damals noch gehörten) wahrscheinlich nicht so ganz bewusst gewesen – oder billigend in Kauf genommen worden sein.

Zwar wurde Schleswig-Holstein dann nach dem deutsch-dänischen Krieg 1864 vom Königreich Dänemark gelöst und territorial nach Norden bis zur Königsau / Kongeå gleich noch erweitert. Es fand sich letztendlich aber rasch 1866 nach dem deutsch-österreichischen Krieg als Provinz Preußens wieder. Otto von Bismarck (möge er in Friedrichsruh friedlich ruhen) hatte mal wieder ganze Arbeit geleistet  und Preußen hatte mit Kiel einen Kriegshafen an der Ostsee.

Die politischen Verhältnisse im Spannungsverhältnis zwischen dem Dänischen Gesamtstaat und den beiden Herzogtümern (die sogenannte „schleswig-holsteinische Frage“) war im Übrigen über die Jahrhunderte eine ziemlich komplizierte und konfliktträchtige. In Zeiten der Mitte der 19. Jahrhunderts stark aufkeimenden Nationalgefühle und Demorkratiebestrebungen gegen absolutistische Königsherrschaften in ganz Europa addierte sich zu den jahrhundertealten dynastischen Zwisten zwischen dem dänischem König und insbesondere den Herzögen in Schleswig und Holstein nun auch das Spannungsverhältnis zwischen Deutschen und Dänen – dies insbesondere im Norden des heutigen Schleswig-Holsteins (mit seiner dänischen Minderheit) und dem Süden des dänischen Jütlands (mit seiner deutschen Minderheit).

Der britischen Premierminister Palmerston fasste die Schleswig-Holstein Frage vor seinem Tod 1865 anekdotisch überliefert in die Worte „Nur drei Menschen haben sie verstanden. Der Prinzgemahl (gemeint Königin Viktoria’s Gatte Albert)  und der ist tot. Ein dänischer Minister aber der ist darüber verrückt geworden. Und ich .aber ich habe alles vergessen“. [QUELLE: https://quoteinvestigator.com/2017/12/31/mad]

Die von Graf Reventlow (fiktiv) geschwungene Fahne wurde übrigens erst 1957 zur offiziellen Landesflagge Schleswig-Holsteins, nunmehr Bundesland der Bundesrepublik Deutschland und gesegnet mit einer friedlichen Grenze zum Nachbarstaat Dänemark und verbrieften und gelebten Minderheitenrechten beiderseits der Grenze. Bis dato hatte die blau-weiß-rote Fahne (Achtung – beim Malen die Farbreihenfolge beachten. Sonst landet man schnell in den Niederlanden ) lediglich symbolisch-informellen Charakter – auch wenn die nur kurzzeitig existierende Schleswig-Holsteinische Armee sie (neben Schwarz-Rot-Gold) während der Schleswig-Holsteinischen Erhebung (1848-1851) in der Truppe führte – in dänischer Geschichtsschreibung übrigens als Dreijähriger Krieg / Treårskrigen betitelt.

Ihren Charakter als Sinnbild schleswig-holsteinischer Unabhängigkeit und Unteilbarkeit („up ewig ungedeelt“) soll die Fahne auf dem Schleswiger Sängerfest 1844 erhalten haben. Die Farben stehen für das traditionelle Blau Schleswigs (…) und das Weiß und Rot Holsteins.

Aus Kopenhagener Sicht schwenkt der Herr Graf allerdings rechtswidrig ein verbotenes politisches Zeichen  die dänische Regierung hatte die Flagge bereits am 31.07.1845 wegen ihres offensichtlich antidänischen Charakters verboten. (QUELLE: im Wesentlichen https://de.wikipedia.org/wiki/Flagge_Schleswig-Holsteins]

Es wäre übrigens nicht verwundernd, wenn irgendwann jemand in gleicher Weise wie Graf Reventlow als Antwort auf die Anmaßung und empfundende Dänenfeindlichkeit der schleswig-holsteinischen Aufrührer (slesvig-holstenske oprørerne) in Kopenhagen den Dannebrog schwenkt Friedrich Gieslers Kinkel ist halt universal verwendbar für den national-demokratischen Aufruhr im Europa um 1848 .

Und damit endet die Geschichte um den zinnfigürlich abgewandelten Johann Gottfried Kinkel. Für die diesen Artikel lesenden nördlichen Nordlichter habe ich wahrscheinlich Eulen nach Athen (besser: Kiel) getragen. Nichtsdestowenigertrotz – so wurde wenigsten einer sehr gelungenen, in Sammlerkreisen kaum bekannten Zinnfigur die Ehre erwiesen. Wenn auch aus vom Zeichner und der KLIO LG Rheinland-Süd so nicht beabsichtigter Regionalperspektive. Die Figur ist übrigens bei Interesse zu beziehen über die KLIO LG RL-Süd (siehe Packungsfoto).

Auf die Bildquellen sei natürlich auch noch hingewiesen.

Graf Reventlow ist postiert vor dem Hintergrundbild „Seebad Wyk auf Föhr 1872“, abgebildet im Buch „Föhr, Amrum und die Halligen in der Kunst“, Ulrich Schulte-Wüwer, 2012, Boyens Buchverlag.

Die Postkarte wurde im Internet gefunden unter:

https://www.akpool.de/ansichtskarten/27516830-ansichtskarte-postkarte-schleswig-holsteinische-erhebung-24-maerz-1848-friedrich-prinz-von-noer-beseler-reventlou

Die „Gemeinsame Regierung“ wurde im Internet gefunden unter:

https://www.schleswig-flensburg.de/Kultur-Bildung/Idstedt-Ged%C3%A4chtnishalle/Schlacht-bei-Idstedt/Erhebung-1848-1851

Dieser Artikel wurde (leicht abgewandelt) im Juli 2020 bereits in der „Landesgruppe aktuell (LGA)“, dem Mitteilungsblatt der KLIO Landesgruppe Rheinland-Süd e.V., veröffentlicht.

Frank A. Richter

Ein Gedanke zu „Johann Gottfried Kinkel“

  1. Friedrich Giesler hat die Originalfigur und den geschichtlichen Hintergrund von J.G. Kinkel in Der Zinnfigur, 69. Jahrgang, 2019, S.36 f. bestens beschrieben. Dort auch Bilder der original-bemalten Zinnfigur. F.R.

Kommentare sind geschlossen.