Der Besitz einer Zinnfigur von der Offizin Wolfgang Hafer, die eine assyrische Belagerungsmaschine darstellt, und die Ansichten von Belagerungen in einigen Büchern brachte mich auf die Idee, ein kleines Diorama für die Vitrine anzufertigen, also eine sogenannte Vignette, d. h. eine Aufstellung auf einer Platte. Besonders reizvoll fand ich die Darstellungen, die zeitgenössischen Reliefs nachempfunden sind, in denen von Seiten der Stadtbewohner mit einer großen Kette versucht wurde, die großen Rammböcke zur Seite zu ziehen. Für die damalige Zeit eine enorme Technologie. Ich überlegte, wie dass wohl funktioniert haben könnte, und kam auf eine Handwinde als Antrieb. Diese habe ich dann in meiner Vignette nachgebaut.
Die Assyrer waren Spezialisten im Belagern von Städten. Damit waren sie ihrer Zeit weit voraus. Ihre Armee war zum Teil eine Berufsarmee, die man grob in mehrere Kategorien einteilen kann:
Schwere und leichte Infanterie, Kavallerie und Streitwagen, sowie noch Spezialisten wie die Pioniertruppen.
Die Infanteristen waren mit Lanzen und Schilden aus Flechtwerk und Leder, mit Metall beschlagen, ausgerüstet.
Die Soldaten der schweren Infanterie trugen ein Schwert und einen Lamellenpanzer, um den Oberkörper zu schützen, die der leichten Infanterie zumindest wohl einen Dolch zur Verteidigung und als Körperschutz lediglich eine Brustplatte an einem Gurtgehänge. Die Angehörigen der leichten Infanterie kamen vor allem aus den Reihen der besiegten Völker. Es gab im assyrischen Heer aber auch Söldner. Offenbar trugen alle Soldaten der Assyrer Helme, aus Bronze, wohl später auch aus Eisen. Teilweise wurden Kammhelme getragen, ansonsten konisch geformte Helme.
Zusätzlich zu den Infanteristen gab es noch weitere Spezialisten: Bogenschützen, Schleuderer, Schildhalter, sogar Heeresmusiker, und speziell gerüstete Pioniertruppen. Die Pioniere trugen lange Lamellenpanzer aus Bronze, die den Körper komplett schützten. Auch mit dieser Ausrüstung waren die Assyrer ihrer Zeit voraus. Sie ähneln den Rüstungen der späteren Kataphrakten (schwere Reiter aus Vorderasien zur Zeit der Römer). Die Assyrer stellten die erste bekannte Reiterei der Geschichte auf, später sogar mit durch Panzerdecken geschützten Pferden. Auch das war wiederum etwas völlig Neues zu ihrer Zeit. Davor waren im Alten Orient nur Streitwagen verbreitet. Diese wurden von den Assyrern weiterentwickelt zu schweren Wagen mit bis zu vier Pferden im Gespann . Der Wagen konnte drei Soldaten transportieren. Wohl bis zum Ende des Reiches wurden die Streitwagen als Waffengattung beibehalten. Zusätzlich gab es ein regelrechtes Offizierskorps. Oberster Heerführer war der König. Darunter standen die Gouverneure der Provinzen oder auch Generäle. Eine Flotte besaßen die Assyrer übrigens nicht. Sie hielten eine Zeitlang die Insel Zypern besetzt, die sie mit Hilfe phönizischer Schiffe und Seeleuten erobert hatten. Die phönizischen Städte im heutigen Libanon und Syrien gehörten lange zu ihrem Einflussgebiet.
Wenn nun die assyrische Heeresleitung die Eroberung einer Stadt beschlossen hatte, wurde diese anschließend aufgefordert, sich zu ergeben. Das passierte dann wohl auch häufig, denn den Assyrern eilte der Ruf voraus, unbarmherzige Gegner zu sein. Die anschließende Deportation der Unterworfenen in das assyrische Reich war noch das mildeste Schicksal. Sklaverei, Misshandlungen und grausame Massenhinrichtungen waren die Regel. Diese Szenarien stellten die Assyrer selbst in Reliefs in ihren Palästen dar. Auch die Bibel berichtet von ihrer Grausamkeit. Dabei wurden auch die Fürsten der eroberten Städte nicht geschont.
Wenn sich nun aber eine Stadt bei der Annäherung einer assyrischen Armee nicht gleich ergeben wollte, wurde das ganze Szenario der „Belagerungskunst“ abgespult: Truppen verwüsteten das umliegende Land planmäßig, um den Bewohnern die Lebensgrundlage zu entziehen. Vielleicht sind sie sogar die Erfinder der zweifelhaften Taktik der „verbrannten Erde“. Jedenfalls sind auf zeitgenössischen Reliefs Soldaten zu sehen, die z. B. die ganzen Bäume der Umgebung fällen. Die Eingeschlossenen wurden massiv mit Pfeilen und geschleuderten Wurfgeschossen unter Beschuss genommen. Dabei wurden die Bogenschützen durch Soldaten mit hohen Schilden vor feindlichem Beschuss geschützt. Diese Schildhalter waren auch für den Schutz der Offiziere und natürlich des Königs, wenn er persönlich am Kriegszug teilnahm , verantwortlich.
Gleichzeitig wurden auf hölzernen Rampen Rammböcke herangerollt, die wahrscheinlich mit nassen Tierfellen abgedeckt waren. Sie sollten die Belagerungsmaschinen vor Feuerpfeilen und Fackeln schützen. Diese Belagerungsmaschinen waren aufgrund ihrer Größe wahrscheinlich erst an Ort und Stelle von Handwerkern zusammengesetzt worden. Ein Relief im Britischen Museum zeigt die Belagerung der Stadt Lachisch im heutigen Israel um 701 v. Chr. sehr deutlich. Hier werden die Belagerungsmaschinen sogar auf Rampen einen Berg hochgeschoben. Es gab schon Rammböcke kombiniert mit Türmen, auf denen Bogenschützen postiert waren. Auf den Reliefs ist zu erkennen, wie die verzweifelt kämpfenden Stadtbewohner versuchen, mit Hilfe von Ketten die metallenen Rammböcke wegzuziehen. Katapulte waren zur Zeit der Schlacht von Lachisch noch nicht erfunden . Am Fuße der Stadtmauern ist es die Aufgabe der schwer gepanzerten Pioniertruppen, mittels langer Brechstangen die Steine auszubrechen , um so die Stadtmauer an dieser Stelle zum Einsturz zu bringen. Auch Sturmleitern kamen zum Einsatz.
Die Soldaten der belagerten Stadt versuchten natürlich, diese umzustoßen. Ansonsten waren die Möglichkeiten der Verteidiger ziemlich begrenzt, diese „High Tech-Armee“ zu bezwingen. Hielten die Belagerten allerdings lange genug durch, bestand immerhin die Chance, dass die Assyrer wegen Nahrungsmangel und Hunger abzogen. Aus der näheren Umgebung konnten sie sich nicht versorgen, die hatten sie ja vorher gründlich verwüstet. Auch passierte es wohl hin und wieder, dass im Belagerungsheer eine Seuche ausbrach. Ungeklärt ist z. B., warum das befestigte, von ihnen ebenfalls im Jahre 701 v. Chr. belagerte Jerusalem unter dem judäischen König Hiskia nicht erobert wurde. Sie waren unverrichteter Dinge wieder abgezogen. Das Ziel der Assyrer war es übrigens nicht, ein Land zwecks dauerhafter Besiedlung durch das eigene Volk einzunehmen. Dafür waren sie selbst nicht zahlreich genug. Die assyrischen Könige wollten Tribute z. B. in Form von Naturalien und Rohstoffen, denn das Kernland im heutigen Nordirak war karg und rohstoffarm. Aber natürlich waren auch Schmuck und andere wertvolle Güter sehr begehrt. Das Reich wurde eines der größten im Altertum, aber letztendlich konnten die eroberten Provinzen natürlich auf Dauer nicht nur durch den Terror an der eingeborenen Bevölkerung gehalten werden, denn lediglich Garnisonen waren dort angesiedelt worden. Wieder und wieder gab es Aufstände und auch Angriffe von Nachbarvölkern. Das Reich wurde zudem geschwächt durch Bürgerkriege. Ein besonders blutiger, selbstzerstörerischer Konflikt war der zwischen dem für seine umfangreiche Keilschriftbibliothek berühmten König Assurbanipal und seinem Bruder, dem Gouverneur von Babylon, Schamasch-schum-ukin. 16 Jahre hatte er seinem jüngeren Bruder treu gedient, obwohl er der Ältere war. Der Vater hatte ihn noch vor seinem Tod von der Thronfolge ausgeschlossen, wohl weil er Assurbanipal für den besseren Herrscher hielt. Aber um 652 v. Chr. verbündete er sich mit seinen östlichen Nachbarn, den Elamitern gegen seinen Bruder Assurbanipal. Es gelang dem König erst vier Jahre später, den Aufstand niederzuschlagen. Schamasch-schum-ukin starb beim Sturm auf Babylon in seinem brennenden Palast, wohl an Selbstmord. Die schreckliche Belagerung hatte ca. zweieinhalb Jahre gedauert. Ein Stoff für ein Historiendrama. Die Elamiter wurden anschließend mit blutigem Krieg überzogen. Trotz seiner Größe stand das Reich auf tönernen Füßen. Auch dessen treue Verbündete, die Skythen aus den Steppengebieten nördlich Assyriens konnten den Untergang nicht aufhalten. Als Assyriens Stunde schlug um 612 v. Chr. mit der Eroberung von Ninive, rächten sich die verbündeten Babylonier und Meder bitterlich für die erlittenen Grausamkeiten. Sie machten das große, durch Gewalt und Ausbeutung entstandene Vielvölkerreich dem Erdboden gleich. Es wurde nie wieder neu errichtet. Die Nachfolge trat das Großreich der Perser an, die viele Errungenschaften der Assyrer übernahmen.
Zu den Zinnfiguren: Assyrer in Zinn habe ich bei den Offizinen Hafer, Wilken, Carl, „Zinnfiguren aus Schmalkalden“ und Braune erworben. Den König habe ich als Einzelfigur auf einer Börse gefunden, es ist eine Gottstein-Figur. Aber es gibt noch weitere Herausgeber, die Assyrer anbieten, wie z. B. die Kieler Zinnfiguren oder die Berliner Zinnfiguren Werner Scholtz. Die bedauernswerten Sklaven, die die Sturmleiter halten bzw. die Winde mit bedienen, sind eigentlich eine antike Bootsbesatzung, denen ich die Ruder abgenommen habe. Bei den Berliner Zinnfiguren kann man sie finden.
Die Belagerungsmaschinen gibt es bei Herrn Wolfgang Hafer. Eine Besonderheit ist der große Belagerungsturm, dieser ist erst in diesem Jahr, 2015, als Zinnfigur herausgegeben worden. Das führte dann dazu, dass ich den Belagerungsturm nachträglich in die Vignette einfügen musste.
Die Grundlage der Vitrinenaufstellung ist eine Sperrholzplatte. Die Mauer habe ich aus einem Minisetzkasten aus einem großen Drogeriemarkt gebaut. Beklebt wurde der Kasten mit einer als Mauer bedruckten Pappe der Firma Faller aus dem Modelleisenbahnbedarf. Diese gibt es in verschiedenen Ausführungen. Für die oberste Mauer auf dem Turm mit den runden Schilden orientierte ich mich an der Abbildung der Stadt Lachisch (s. o.). Die Schilde bestehen aus den kleinen runden Aufklebern, die man zum Zukleben der Schraublöcher bei Billigmöbeln nimmt. Darauf wurden die abgekniffenen Köpfe der Klammern für Versandtaschen geklebt. Die Winde war einst ein kleines Teil eines hölzernen Gardinenstangensets. Sie ruht auf bronzenen Lagern, die vorher mal Teile von Gardinenstoppern waren. Als schwierig erwies es sich, so eine kleine Kette zu finden. Im Internet im Onlinehandel wurde ich schließlich fündig, beim Bastelbedarf für Modeschmuck. Später sah ich solche Ketten auch im Ein-Euro-Laden als Modeschmuck. Ich bin ein großer Anhänger von Acrylpaste. Diese gibt es grob- und feinkörnig. Grobkörnige Acrylpaste eignet sich gut zum Darstellen von bewegtem Meer, sprich Wellen. Aber die wird hier in der Belagerungsszene natürlich nicht benötigt. Ich nutzte die feinkörnige Acrylpaste, um die Fußbrettchen zu verschmieren und auch, um die Holzbahnen für die Belagerungsmaschinen zu verlegen. Diese Holzbahnen hatten ursprünglich nur die Funktion, „Coffee to go“ umzurühren. Aber zum Wegschmeißen sind sie zu schade, sie eignen sich hervorragend für den Dioramenbau. Und kosten nichts. Die Sturmleiter habe ich aus einem Plastikgitterzaun aus meinem alten Kinderzoo zurechtgeschnitten. Aus den alltäglichsten Dingen habe ich mir Material zusammengesucht, was irgendwie Spaß gemacht hat. Mit Farbe kann man sie dann entsprechend verändern. Ich hoffe, ich konnte hier einige Anregungen für den Dioramenbau geben. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Empfohlene Quellen:
Literatur über die Assyrer gibt es sehr viel, daher nur vier aktuelle Bücher, die ich für das Quellenstudium verwandte:
Henry F. W. Saggs: Völker im Lande Babylon (populärwissenschaftlich geschrieben, Theiss-Verlag)
Evelyn Klengel-Brandt: Die Herrscher von Assur (interessanterweise erstmalig als Kinderbuch 1988 in der DDR erschienen, ist aber dennoch anspruchsvoll und detailliert, viele Abbildungen)
Otto Schertler / Sascha Lunyakov: Die Heere im Alten Orient (mit guten Malvorlagen)
The Ancient Assyrians (Osprey-Publikation aus der Elite-Reihe, ebenfalls gute Malvorlagen)
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