Zinn meets Jazz…aus dem Leben eines Zinnfigurenfreundes. Hier ein weiterer Beweis dafür, wie breitgefächert unsere geschätzte Zinnfigur das kulturhistorische Spektrum abbildet und nicht nur (wie wahrscheinlich noch weit verbreitete Meinung) in friderizianischen Uniformen grenadiermützengekrönt daherkommt. Und selbst bei der zinnfigürlichen Abbildung musikhistorischer Themen beschränkt sie sich nicht auf schon weiter zurückliegendes wie Der junge Mozart am Flügel, Richard Wagner oder Wilhelm Furtwängler beim Dirigieren. Auch uns noch lebendig lebenden Älteren (so sie denn allerdings nicht völlig mit Jazz und Swing auf dem Kriegsfuß stehen) bietet sie etwas quasi „zeitgenössisches“ zum Bemalen.
Als da ist zum Beispiel die von Grünewald gravierte 30mm Figur des amerikanischen Jazztrompeters und -komponisten Miles Davis (1926 -1991). Die Figur kann bezogen werden über Herrn Heinz-Peter Ebert (e-mail: heinz-peter.ebert@gmx.de.)
Leider ist dem Autor dieser Zeilen der Zeichner der Figur nicht bekannt. Vorlage war aber offenbar das Hüllenbild der LP Miles Davis – a tribute to Jack Johnson aus dem Jahre 1970. Mehr zur LP sowie dem tributierten afroamerikanischen US-Schwergewichtsboxer Jack Johnson kann hier https://www.youtube.com/watch?v=Vw7dzCbK9lo ersehen und erhört werden. Und wem der Miles Davis soundtrack dabei zu „schrill“ im Ohr klingt, dem sei beim Betrachten oder Bemalen der Figur dieses eher „milde“ Musikstück des Meisters empfohlen. https://www.youtube.com/watch?v=Vw7dzCbK9lo .
Das der Figur zugrunde liegende, nahezu „ikonische“ Foto des hier jazztrompeterisch und körperlich sein Alles gebenden Miles Davis ist anscheinend enstanden auf dem Tanglewood Music Festival in Lenox, Massachusetts, USA im August 1970. Siehe https://www.google.de/search?q=miles+davis+tanglewood&source=lnms&tbm=isch&sa=X&ved=2ahUKEwiA4aeiiensAhV75-AKHVADDVgQ_AUoAnoECAsQBA&biw=1280&bih=579#imgrc=1-UhOk0PH–lPM
Beim Betrachten der im Internet vorhandenen Bilddokumente über Miles Davis‘ Auftritt auf diesem Festival stellt sich dem um Authentizität bemühten Bemaler der Figur allerdings reflexmäßig die – für Zinnfigurenfreunde fast schon existentielle, Frage – bekommt die Figur khakibraune oder blaue Jeans (älteren Semestern auch als Nietenhose bekannt …) ? Wurde das (lediglich vermutete, aber farbharmonisch ansprechendere) blue der jeans
bildaufnahmetechnisch bewußt verfremdet oder ist die optisch zumindest vom Autor dieser Zeilen wahrgenommene Khakifärbung der Hose ausleuchtungstechnisch bedingt ? Da kann nun leider auch kein Bleckwenn helfen … Ich sach mal … die Jeans ist blau. Bis zum eineindeutigen Beweis des Gegenteils. Dann wird halt ein zweiter Miles bemalt.
Nun zu einem anderen „zeitgenössischen“ musikhistorischen Beitrag unserer kleinen flachen Zinnfreunde. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere noch an zigarretten– und pfeifenrauchgeschwängerte Momente beim Jazzfrüh-/-spätschoppens in der einen oder anderen einschlägigen Jazzkneipe. Apropos Jazzkneipe. Um Opa Hoppenstedts Klage über zu wenig Lametta am Weihnachtsbaum abzuwandeln … früher war mehr davon. Der Punkt mußte mal gemacht werden.
Diese rauchigen Jugenderinnerungen weckt eine Figurengruppe, die der Autor 2017 in Kulmbach zinnfigurenbörslich erwarb. Leider sind die Informationen über Zeichner, Graveur und Händler verschludert. Mea culpa. Die Fußbrettchen tragen mittig die Kennungen GF/MH sowie ein AS oder inverses V / S in den Ecken. Die Figurennummern beginnen alle mit einem Z. Es wird sicherlich den einen oder anderen unter den geneigten Lesern geben, die hier (aus dem Ärmel heraus) „entziffern“ können. Wäre schön – denn Ehre, wem Ehre gebührt. Sicherlich dem Zeichner und Graveur dieser Serie.
Im Gegensatz zum real existierenden Miles Davis ist diese zinnfigürliche, (eher auf 40mm Augenhöhe zu schätzende) Jazz-Kombo eine fiktive. Der Autor dieser Zeilen war jedoch verblüfft über die Ähnlichkeit der Gesichtszüge des Pianisten mit einer realen Größe der jüngeren Zeitgeschichte – einer wenn auch sehr düsteren Persönlichkeit. Von dieser subjektiven Wahrnehmung war es dann nur ein kurzer Schritt zur Namensgebung der Combo … The Joe Stalin All Marxists Jazzband. Beim Betrachten sollte man mal parallel mal hier https://www.youtube.com/watch?v=AcsuvDolIKg reinhören, um die weltrevolutionäre Atmosphäre der session zu erspüren. In der Farbgebung der Musikerbekleidung wurde im Übrigen im Sinne der westlichen Kunstfreiheit bewußt von dem zu vermutenden grau-schwarz der (wahrscheinlich auch noch schlecht sitzenden) sozialistischen Funktionärsanzüge abgewichen. Lediglich die percussions wurden in tiefsozialistischem Rot gehalten. Auf jeden Fall hat die Bemalung dieser einzigartigen zinnfigürlichen Jazz-Combo viel Freude gemacht. Die Jungs erfüllen ihr musikalisches Plansoll. Na dann … na zdarowje. A one, a two, a one two three four …
Text und Bilder: Frank A. Richter