Nach 150 Jahren auf Spurensuche

 

Der Deutsch-Französische Krieg von 1870/71 endete mit der Niederlage Frankreichs und begründete das zweite deutsche Kaiserreich. Auch heute finden sich in der deutsch-französischen Grenzregion noch etliche Zeugnisse dieser Auseinandersetzung.

Für die europäische Geschichte bedeutete der Krieg von 1870/71 einen Wendepunkt. Nach der Proklamation des preußischen Königs Wilhelm I. zum Deutschen Kaiser am 18. Januar 1871 im Schloss von Versailles stieg das Deutsche Reich zur Großmacht auf. Für die Franzosen bedeuteten die Niederlage bei Sedan und der Einzug preußischer Truppen in Paris eine Schmach, die erst mit den beiden Weltkriegen getilgt wurde. Heute ist von Revanchismus nichts mehr zu spüren, Paris und Berlin sind die Taktgeber eines friedlichen Europas.

Friedlich war Europa vor 150 Jahren beileibe nicht. Deutschland und Frankreich waren Erbfeinde, die einander missgünstig beäugten und deren gegenseitige Abneigung in dem Krieg 1870/71 ihren vorläufigen Höhepunkt fand. Der Deutsch-Französische Krieg, der eigentlich ein Krieg des Norddeutschen Bundes unter preußischer Führung und dem französischen Kaiserreich unter Napoleon III. war, ist in der Umgebung von Metz heute noch allgegenwärtig. Zahllose französische und deutsche Gedenkstelen und Soldatenfriedhöfe zeugen von erbitterten blutigen Kämpfen. Noch heute können die Schlachtfelder von Mars-la-Tour oder Gravelotte besichtigt werden. Wer dort steht und versucht, sich in die Haut eines einfachen Infanteristen zu versetzen, den durchströmt schon ein leichtes Grauen. Was muss es für ein fürchterliches Gefühl gewesen sein, wenn ein Kavallerie-Regiment auf einen zugaloppierte und der Boden vom Hufgetrampel vibrierte? Geschenkt haben sich beide Seiten jedenfalls nichts.

Die Grab-und Gedenksteine auf den Soldatenfriedhöfen bei Metz lesen sich wie eine militärhistorische Deutschlandreise. Sie erinnern an Gefallene von Regimentern und Bataillonen aus Schleswig-Holstein, Braunschweig oder Württemberg, die etwa am 16. August 1870 auf dem Schlachtfeld von Mars-la-Tour ihr Leben ließen. Bei Mars-la-Tour vereitelten deutsche Truppen eine Vereinigung der beiden französischen Armeen unter Napoleon III. und Marschall François-Achille Bazaine.

Bemerkenswert: Die Franzosen haben die deutschen Gedenkstätten auch nach der Besatzungszeit im Zweiten Weltkrieg nicht zerstört. Nicht immer zollen Besiegte den Toten der Gegenseite einen derartigen Respekt.

Wer in Metz und Umgebung unterwegs ist, sollte unbedingt einen Besuch des Musée de la Guerre de 1870 et de l’Annexion in Gravelotte einplanen. Die Gedenkstätte widmet sich dem Krieg von 1870/71 und der daraus resultierenden Annexion Elsass-Lothringens durch das Deutsche Reich. Das 2014 eröffnete Museum verzichtet auf Schuldzuweisungen und verfolgt das Ziel einer sachlichen Vermittlung der historischen Abläufe. Zahlreiche Exponate aus der Zeit wie Uniformen oder bildliche Darstellungen sowie Erläuterungen auf Französisch und Deutsch lassen den Besucher unvoreingenommen in die damalige Zeit eintauchen. Auch hier keine Spur von Revanchismus oder Sprache der Sieger, ganz im Gegenteil: Neben den sachlichen Darstellungen finden Museumsbesucher stets Bewertungen der Vorgänge aus mehreren Perspektiven, präsentiert zumeist durch zeitgenössische oder wissenschaftliche Quellen. Ein derartiger multiperspektivischer Zugriff ist eine Besonderheit in der Museumswelt – leider. Ein historisch akribisches wie völkerverbindendes Detail: Für die Zeit zwischen 1871 und 1918 ist Deutsch die vorrangige Sprache der Erläuterungen, zuvor ist es Französisch. Voilà, c’est très bien.

 

Text und Fotos: Henning Voß

 

Fotos:

 

Das Schlachtfeld bei Mars-la-Tour. Hier vereitelten deutsche Truppen eine Vereinigung der beiden französischen Armeen unter Napoleon III. und Marschall François-Achille Bazaine. Foto: Voß
Foto: Voß
In der Umgebung von Metz finden sich zahlreiche Ehrenmäler wie hier das deutsche bei Mars-la-Tour. Foto: Voß
Eine der vielen Gedenktafeln der Kriegsgräberstätte bei Gravelotte. Foto: Voß
Die Kriegsgräberstätte bei Gravelotte erinnert an die Gefallenen beider Seiten, hier aus Schleswig-Holstein und Brandenburg. Foto: Voß
Im Museum des Krieges von 1870 und der Annektion Elsaß-Lothringens sind unter anderem historische Uniformen zu sehen. Foto: Voß

 

Noch heute wird an der Kriegsgräberstätte Gravelotte der Gefallenen von 1870/71 gedacht. Foto: Voß