Ein Zinnfiguren-Diorama von Prof. Dr. Egon und Gisela Fichtner †
Das Diorama zeigt eine Jagdszene der Prärieindianer in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, ca. 1860 bis 1870. Das Terrain stellt nicht die Prärie, sondern die Kurzgrassteppe der „Plains“ dar. In der Prärie wäre das Präriegras zu dieser Jahreszeit so hoch gewesen, dass es die Reiter fast verborgen hätte.
Eine Stammeszugehörigkeit der Indianer ist nicht feststellbar, da man zur Bisonjagd gewöhnlich bis auf den Lendenschurz und die Schuhe (Moccasins) unbekleidet ritt. Die Haartracht lässt vielleicht auf Angehörige der großen Sioux-Sprachfamilie schließen, was aber keineswegs sicher ist. Geteilte Haarfrisur mit Mittelscheitel und Zöpfen war z. B. eine Spezialität der Lakota (Sieben Ratsfeuer), deren Stämme der Sioux-Sprachfamilie angehörten. Jedenfalls sind es weder Crow- noch Pawnee-Indianer, denn deren Haartracht war gänzlich anders.
Ein netter Gag ist die Figur im rechten Vordergrund. Der Reiter benutzt die Schabracke eines US-Kavalleristen als Satteldecke, obgleich seine Frau wohl eine bessere Verwendung für das Tuch gehabt hätte, denn Textilstoffe waren für die Indianer sehr wertvoll, sogar wertvoller als Leder. Dass die Indianer keine Sättel hatten und daher ungesattelt ritten, entspricht nicht der Wahrheit.
Ganz ungewöhnlich ist die Figur im linken Vordergrund. Der Reiter trägt eine Federhaube (war-bonnet) und seinen Schild zur Jagd. Dies hätte er allenfalls in einem Kriegszug getan, denn die Federhaube war mehr „Ordensschnalle“ als Kopfbedeckung. Adlerfedern mussten durch Taten (Coups) verdient werden, und nur bei einer derart hohen Anzahl von verdienten Federn war der Krieger berechtigt, eine Federhaube zu tragen. Das sollte den Feind beeindrucken. Der Schild war neben Schutz auch mächtige „Medizin“ durch seine mystische Bemalung, und er sollte dem Feind ebenfalls Furcht einflößen. Diese Hintergründe machen für die Bisonjagd keinen Sinn.
Mit dem Bison war das Leben des Prärieindianers untrennbar verbunden, das Tier war die Grundlage alles dessen, was er zum Leben benötigte. Der erlegte Bison lieferte neben Nahrung auch mit seinem Fell die Grundlage für Leder, Kleidung, Decken, Polstermaterial und Tipiplanen (Zeltbahnen). Geschabte Rohhaut diente zur Herstellung verschiedenster Behälter (Parfleche). Aus den Knochen schnitzte man verschiedene Haushaltsgeräte, aus seinen Hufen kochte man den Leim für benötigte Klebeverbindungen. Sein Hirn, vermischt mit etwas Leber, ergab den Gerbstoff für die Hirngerbung des Leders. Und selbst sein getrockneter Dung bildete noch das Heizmaterial in den holzarmen Gegenden. Man versteht nun, welche herausragende Bedeutung die Bisonjagd für die Kultur der Prärieindianer hatte.
Das Diorama zeigt im Vordergrund Flachfiguren der 54mm-Größe des Herausgebers Heinrich Maier, Dudenhofen; dahinter Zinnfiguren der Standardgröße von 30mm der Offizin Ochel, ehemals Hinsch-Figuren. Dies erhöht den Eindruck von perspektivischer Tiefe.
Text: G. Stenvers
Photos: H. Voß