Das hessische Grenadierregiment 1776 – 1783 in Amerika

regiment-rall-regiment-von-woellwarth-regiment-von-truembach-regiment-marquis-dangelelli1707 als Garnisontruppe errichtet (nach anderer Quelle Errichtung als „Blome-Grenadiere“ erst 1760), bestand das „Landgrenadierregiment“ schon vor dem Abschluss der Subsidienverträge zwischen England und dem Landgrafen Friedrich II. von Hessen-Kassel aus 2 Bataillonen. Für den Einsatz in Amerika wurde das 1. Bataillon zu 5 Kompanien mit Mittel- und Unterstab als „Grenadierregiment Rall“ formiert, während das 2. Bataillon in Hessen zurückblieb.
Eine gesonderte Flügelgrenadierkompanie wurde gleichzeitig aus jungen Rekruten zusammengestellt und zur Bildung des „Grenadierbataillons Köhler“ verwendet. Dieses Bataillon bestand neben dieser Kompanie aus den Grenadierkompanien der Garnisonregimenter v. Stein, v. Wissenbach und v. Bünau.

Zur damaligen Zeit wurden die Einheiten nach ihren Chefs (Inhabern) benannt. Das Regiment führte im genannten Zeitraum daher folgende Namen:

1776 „Grenadierregiment Rall“: Oberst Johann Gottlieb Rall, 1772 Oberst im Regiment Mansbach, übernahm als Chef das Grenadierregiment schon vor dem Einsatz in Amerika unter der früheren Bezeichnung „Landgrenadierregiment Rall“. Als Brigadekommandeur beim Überraschungsangriff Washingtons auf seine Brigade in Trenton schwer verwundet, ist er am 27. Dezember 1776 seinen Wunden erlegen und wurde auf dem Friedhof von Trenton bestattet.

1777/78 „Grenadierregiment v. Woellwarth“: Oberst Wolfgang Friedrich v. Woellwarth, Chef seit dem 13. Mai 1777 des Ende 1776 bei Trenton in Gefangenschaft geratenen Regiments, ist am 12. Juni 1778 in Amerika verstorben.

1778 „Grenadierregiment vacant v. Woellwarth“: Nach der Rückkehr aus der Gefangenschaft und erfolgter Neubildung führte das Regiment den Namen seines verstorbenen Chefs mit dem Zusatz „vacant“ weiter.

1779 „Grenadierregiment v. Trümbach“: Generalleutnant Carl Levin v. Trümbach, Chef des Regiments bis zum 2. Mai 1779, war nie in Amerika und verstarb am 2. Mai 1779 in Kassel (Hessen).

1779 bis 1783 „Grenadierregiment Marquis d’Angelelli“: Generalleutnant Luigi d’Angelelli di Malovezzi, im Siebenjährigen Krieg Chef eines preußischen Freibataillons, Chef von 1779 bis Ende 1783, war ebenfalls nie in Amerika und wurde wie sein Vorgänger als „kommandiert“ geführt.

Ende 1783 „Grenadierregiment v. Bischhausen“: Generalmajor v. Bischoffshausen (gen. v. Bischhausen), 1779 Oberst und Kommandeur des Regiments v. Bose, 1780 Beförderung zum Generalmajor, wurde Chef nach der Rückkehr des Regiments aus Amerika.

Einsätze und Beurteilung

Am 4. März 1776 marschiert das Regiment aus seiner Garnison Grebenstein auf dem Landweg durch hannoversches Gebiet bis zum damaligen Bremerlehe (heute Bremerhaven). Nach der Überfahrt mit einem Zwischenaufenthalt in Portsmouth erreicht es am 12. August 1776 die amerikanische Küste und wird sogleich im Gefecht von Flatbush am 27. August eingesetzt. Das Regiment hält sich vorzüglich, macht viele Gefangene und erbeutet 2 Fahnen. Im Oktober bewährt es sich ebenfalls, als die Stellungen Washingtons in den Whiteplains angegriffen werden, und erringt einen Teilsieg bei der Erstürmung des Chatterton Hill. Am 16. November ist das Regiment Teil der hessischen Truppen, die unter General von Knyphausen Fort Washington erobern, wobei es sich wieder besonders auszeichnet. Verdientes Lob und Anerkennung durch das britische Oberkommando macht die siegreichen Hessen zum Vorbild für die übrigen Truppen.

Das Kriegsglück hält jedoch nicht lange an, am 14. Dezember bezieht das Regiment zusammen mit den beiden anderen Regimentern der Rall’schen Brigade (Regimenter v. Knyphausen und v. Lossberg) seine Winterquartiere in Trenton.

Musketierregiment "Knyphausen"
Musketierregiment „Knyphausen“
Füsilierregiment "Lossberg"
Füsilierregiment „Lossberg“

Hier werden sie im Morgengrauen des 25. Dezembers 1776 überraschend von Washington angegriffen, was mit der Gefangennahme des weitaus größten Teiles der hessischen Regimenter endet. Vom Regiment Rall geraten 9 Offiziere, 25 Unteroffiziere, 3 Feldschers, 14 Spielleute und 274 Gemeine in Gefangenschaft; Fahnen und Feldgeschütze fallen ebenfalls in die Hand des Siegers. Das Schicksal der Truppe scheint besiegelt, das Wohlwollen des Landgrafen wandelt sich in Unwillen; empört über die Umstände dieser katastrophalen Niederlage bestimmt er eine strenge kriegsgerichtliche Untersuchung, sobald die Regimenter ausgewechselt seien.

Aus den Resten der bei Trenton überrumpelten Regimenter, die sich der Gefangenschaft entziehen konnten, wird das „Kombinierte Bataillon“ errichtet. Vom ehemaligen Regiment Rall werden hier 165 Mann einschl. Offiziere verwendet, die 1777 an der Expedition nach Maryland teilnehmen und am 11. September 1777 das Gefecht am Brandywine Creek ohne Verluste bestehen. Anschließend werden die Winterquartiere im von den amerikanischen Truppen geräumten Philadelphia bezogen.

Im Laufe des Jahres 1778 kehren die ausgewechselten Gefangenen in 4 Transporten zurück, und es kommt zur Neuaufstellung des Grenadierregiments. Dieses stößt zum Expeditionskorps des englischen Brigadiers Campbell und besetzt Ende 1778 Savannah in Georgia. 1779 nimmt es am vergeblichen Eroberungsfeldzug gegen Charleston teil, bewährt sich aber auf dem Rückmarsch am 20. Juni 1779 im Gefecht von Stono Ferry hervorragend. In diesem Gefecht hält das Regiment trotz einer Dienststärke von nur 249 Mann dem Ansturm weit überlegener gegnerischer Truppen stand, wobei es Verluste von 6 Gefallenen und 44 Verwundeten zu verzeichnen hat.
Durch dieses tapfere Verhalten erlangt das Regiment sein Ansehen und die Gunst des Landgrafen zurück, in deren Folge die zurückgestellte Beförderung der Offiziere vorgenommen wird und außerdem dem Regiment neue Truppenfahnen in Aussicht gestellt werden.

Im weiteren Verlauf der Ereignisse weist das Regiment im Oktober 1779 zusammen mit den übrigen Besatzungstruppen den Angriff der vereinigten Franzosen und Amerikaner auf Savannah erfolgreich ab. Mitte 1780 wird es von Savannah in das eroberte Charleston verlegt und bleibt dort als Teil der Besatzung bis zum 13. November 1782. Das nahende Kriegsende konzentriert sämtliche Truppen in und um New York, das Regiment bezieht seine Quartiere auf Long Island. Von dort aus erfolgt am 12. August 1783 die Rückkehr nach Hessen, wo der Truppenverband durch Abschied, Beurlaubung und teilweise Versetzung der Soldaten bis auf einen kleinen Stamm aufgelöst wird. Die effektive Dienststärke des 1. Bataillons beträgt danach nur noch 10 Offiziere, 23 Unteroffiziere, 3 Spielleute und 46 Gemeine.

Kommandeure

Bis Mitte 1778 die jeweiligen Chefs, danach

Köhler, Johann Christoph, zuletzt Oberst, führte von 1776 bis 1778 als Oberstleutnant das nach ihm benannte Grenadierbataillon, wurde am 18. September 1778 als Oberst zum Kommandeur des Regiments bestellt, aber auf der Überfahrt von New York nach Savannah im April 1779 von den Amerikanern gefangen genommen; ging nach seinem Austausch infolge Versetzung zum 2. Bataillon Ende 1781 nach Hessen zurück, ohne das Regiment erreicht zu haben.

Hatzfeld, Oberst, wurde 1782 zum Kommandeur bestellt, erreichte aber ebenfalls das Regiment nicht mehr, sondern kehrte mit einem Rekrutentransport im August 1783 in die Heimat zurück.

Endemann, Johann Wilhelm, zuletzt Oberstleutnant, war zwar nie Kommandeur, führte aber das Regiment entsprechend seiner Dienststellung als ranghöchster Stabsoffizier von Juli 1778 bis zur Auflösung, da die entsprechenden Chefs bzw. Kommandeure nicht beim Regiment gewesen sind. Mit Wirkung vom 26.12. 1777 zum Major befördert, war er vom Regiment v. Mirbach versetzt worden und hatte die vakante Kompanie des verstorbenen Oberstleutnants Brethauer erhalten.

Verluste

Im August 1776 hatte das Regiment eine Ist-Stärke von 624 Mann einschließlich der Offiziere. Im Laufe des Krieges verlor das Regiment insgesamt 583 Mann. Hiervon fielen im Gefecht 31 Mann, 367 Mann starben infolge Verwundung, Krankheit, Erschöpfung, usw.; 45 Mann kehrten aus der Gefangenschaft nicht zurück und 140 Mann sind desertiert bzw. ließen sich nicht austauschen. Das Regiment wurde im Laufe des Krieges aber öfter durch Rekrutentransporte aus Hessen wieder aufgefüllt.

Bekleidung und Ausrüstung

Das Grenadierregiment trug Uniformen und Ausrüstung im preußischen Stil der Zeit. Der blaue, rot gefütterte Rock hatte runde Ärmelaufschläge von roter Abzeichenfarbe, aber keine Rabatten und Kragen. Die gelben Knöpfe waren auf beiden Seiten des Rockes in Höhe der Brust jeweils zu 6 Stück in Zweiergruppen angeordnet, in Höhe der Taille saßen 2 weitere Knöpfe, und auf der Patte über dem Aufschlag befanden sich ebenfalls jeweils 2 Knöpfe in vertikaler Anordnung. Weitere Knöpfe waren am Seitenschlitz des Rockes (3) und zum Verschließen der Taschenpatten (2) auf beiden Seiten des Rockes angebracht. Die Achseldragoner der Mannschaftsröcke waren nicht in Abzeichenfarbe gehalten, sondern von blauer Rockfarbe und hatten ebenfalls einen Knopf. Dazu trug das gesamte Regiment schwarze Halsbinden, strohgelbe (paille) Westen, weiße Kniehosen und schwarze Gamaschen. Hierbei ist anzumerken, dass die Unterkleider im Laufe des Krieges oft durch solche Stücke ersetzt wurden, die vorhanden waren. So wurden z.B. teilweise Gamaschenhosen aus farblosem oder längsgestreiftem Drillich der englischen Marinebestände an die Mannschaften ausgegeben.

Offizier und Grenadier vom Hessischen Grenadier-Regiment
Offizier und Grenadier vom Hessischen Grenadier-Regiment

Die Offiziere trugen den nicht aufgeschlagenen Rock mit an den Knöpfen besetzten goldenen Bandschleifen aus Tresse in Plattstickerei, dazu im Dienst einen Ringkragen, belegt wie üblich mit dem emaillierten Wappen Hessen-Kassels. Offiziersschärpe und Portepee am Degen waren silbern mit roten Seidenfäden durchwirkt. Dazu trugen sie den Hut mit schwarzer Schleifenkokarde und silbernen Kordonquästchen, die Hutkrempe eingefasst mit einer schmalen silbernen Tresse.

Unteroffiziere und Grenadiere sowie die Spielleute trugen Grenadiermützen mit Vorderschild und Kranz aus geprägtem gelbem Metall, den Sack aus blauem Textil mit weißen Besatznähten. Die Prägung auf dem Vorderschild zeigte den hessischen Löwen, darunter die umkränzte Chiffre des Landesherrn; der Kranz wies geprägte Granaten mit Flammen auf. Der Puschel der Grenadiermütze war bei den Mannschaften durchgehend weiß, bei den Unteroffizieren weiß mit rotem Kelchfleck. Als weitere Unterscheidungsmerkmale dienten bei den Unteroffizieren die Einfassung der Ärmelaufschläge an der oberen Kante mit gelber Tresse sowie die rot-weiß melierte Säbeltroddel.
Die übrige Ausrüstung der Mannschaften umfasste Gewehr mit Bajonett, einen braunen Felltornister – seitlich links getragen – , darunter einen leinenen Brotbeutel, eine Feldflasche aus Weißblech am Riemen, eine schwarzlederne große Patronentasche – rechts getragen – , am Leibriemen die Seitenwaffe, versehen mit der jeweiligen Kompanietroddel. Sämtliches Gurtmaterial war weiß, die Gewehrriemen rotbraun.

Die Gefreitenkorporale (auch Freikorporale), die die Fahnen führten, hatten Unteroffiziersstatus mit den entsprechenden Abzeichen und galten als Offiziersnachwuchs. Sie stammten meist aus den gebildeteren Schichten. War die Fahne entrollt, trugen sie den mit einer Messingkappe versehenen Wachstuchüberzug umgeschnallt von der linken Schulter zur rechten Hüfte.
Das Grenadierregiment führte 1776 in Amerika insgesamt 5 Fahnen, und zwar die abweichende Leibfahne bei der Leibkompanie sowie 4 gleiche Kompaniefahnen bei den übrigen Kompanien. Sie werden dem Grundmuster der anderen hessischen Fahnen entsprochen haben. (Siehe nachstehende Fahne des Füsilierregiments Lossberg)

Fahne des Füsilierregimentes "Lossberg"
Fahne des Füsilierregimentes „Lossberg“

Über ihr genaues Aussehen ist jedoch nichts bekannt, da das Regiment Ende 1776 die Fahnen bei Trenton an den Feind verlor und diese den Amerikanern angeblich auch nicht als Trophäen verblieben, sondern später wieder in die Hand hessischer Truppen fielen. Ob das Regiment während des weiteren Krieges seine Truppenfahnen tatsächlich wiedererlangte, ist umstritten, aber ohne das Einverständnis des Landgrafen eher unwahrscheinlich.
Die Auffassung, die Regimenter Hessen-Kassels hätten zur Zeit des Unabhängigkeitskrieges nur 2 Fahnen je Regiment geführt, ist unzutreffend. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass das Grenadierregiment nur 2 etatmäßige Gefreitenkorporale hatte. Dem Bericht General v. Heisters an den General v. Schlieffen in London vom 5. Januar 1777 kann man nämlich entnehmen, dass die Hessen zu dieser Zeit das Kompaniefahnensystem wie in Preußen anwandten. Die entscheidende Stelle des Textes lautet: „Eine Brigade hessischer Truppen unter Oberst Rall zu Trent auf Neu-Jersey aufgestellt, ist von zehntausend Mann überfallen worden…..Die fünfzehn Fahnen und die sechs Kanonen dieser drei Regimenter sind verloren….“

Gerriet Stenvers

Quellen:
Böhm, Uwe-Peter; Gärtner, Markus; Schäfer-Wilkens, Klaus; Wagner, Edmund
„Uniformen der deutschen Kontingente im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg 1776-1783 nach Fritz Kredel“ in Jahrbuch der Gesellschaft für hessische Militär- und Zivilgeschichte, Sonderheft 2, o.O., 2006

von Eelking, Max
„Die deutschen Hülfstruppen im nordamerikanischen Befreiungskriege 1776 bis 1783“
( Nachdruck der Ausgabe Hannover 1863 ),
Kassel 1976

Günther, Dr. Kurt
„Das Truppentagebuch des hessischen Grenadier-Regiments von Bischhausen 1776-1783“
in: Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde, Bd. 86,
Hessisch Lichtenau 1977

Korn, Dr. Hans-Enno
„Fahnen und Uniformen der Landgräflich Hessen-Kassel’schen Truppen im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg 1776-1783“
in: Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde, Bd. 86,
Hessisch Lichtenau 1977