Diorama Matrosenaufstand am 03. November 1918 in Kiel

Vor 100 Jahren endete der erste Weltkrieg. Zur Erinnerung an dieses historische Ereignis haben wir ein Diorama mit einer Episode aus dem Matrosenaufstand in Kiel gebaut.

Die Geschichte in unserem Diorama beginnt, als ein Demonstrationszug mit Matrosen und Werftarbeitern auf dem Weg zum Marinegefängnis um ca. 19 Uhr an der Ecke Karlstraße/Langer Segen/Brunswiker Straße auf eine Schützenkette stößt. Die Matrosen der Schützenkette sollen das Vorrücken der Demonstranten auf die Kaserne und die Kommando-Marinestation Ostsee verhindern. Die Demonstranten fordern die Kameraden in der Schützenkette auf, nicht zu schießen. Vermutlich fallen Luftschüsse von Seiten der Demonstranten. Der kommandierende Offizier der Schützenkette, Lt. Z. S. Steinhäuser, befiehlt, auf die Demonstranten zu schießen. Darauf wird er von einem seiner Matrosen mit einem Gewehrkolben niedergeschlagen und schwer verletzt.

Geschichtlicher Hintergrund und historische Abfolge der Ereignisse am 3. November 1918
Wie war es zu einem Aufstand gekommen?
Die Hoffnung, Weihnachten in Paris zu feiern, musste mit Ausheben der Schützengräben im Herbst 1914 beerdigt werden. Im langen Kriegsverlauf wurde die Bevölkerung kriegsmüde. Gewaltige „Materialschlachten“, hunderttausende Tote und immer größere Versorgungsengpässe für die Zivilbevölkerung verschlechterten die Stimmung.
Der Winter 1917/18 wurde als Hungerwinter bekannt und eine Verbesserung der Lage war nicht zu erwarten. Schon im Januar 1918 wurde ein Generalstreik ausgerufen. Die militärische Lage an der Westfront hatte sich nach Kriegseintritt der USA und mit den ersten massiven Einsätzen der neuen englischen Panzer deutlich verschlechtert. Parteien wie SPD, USPD und die Kommunisten standen längst nicht mehr hinter der Regierung, sondern waren gegen den Krieg.
Das Oberkommando unter Hindenburg hatte im Herbst 1918 endgültig eingeräumt, dass ein Sieg nicht zu erreichen wäre. Vom Reichstag wurde unter kaiserlicher Regentschaft eine Regierung gewählt. Diese neue Regierung hatte dann auch den Auftrag, die von General Ludendorff geforderte Aufnahme von Friedensverhandlungen durchzuführen. Das geschah mit dem Waffenstillstandsgesuch vom 4. Oktober 1918.

Die kaiserliche Marine hatte mit dem Flandernkorps, den U-Booten und den Handelsstörern Anteil am Krieg, nicht aber mit der glorreichen Hochseeflotte.
In der letzten großen Seeschlacht 1916 im Skagerrak hatte die Marine verlustreich nur einen „halben“ Sieg erfochten. Denn obwohl die Royal Navy größere Verluste hatte, war die Übermacht nicht gebrochen und die Seeblockade Deutschlands bestand weiter.
Die Weisung der Regierung vom Oktober 1918 an alle Streitkräfte lautete, möglichst Kampfhandlungen zu vermeiden, damit die diplomatischen Bemühungen nicht gefährdet würden.
Entgegen dieser Anweisung plante das Oberkommando der Marine eine große Entscheidungsschlacht in der Nordsee.
Ein Grund war vermutlich, dass dem Oberkommando der Marine von allen Seiten Untätigkeit vorgeworfen worden war.

Die Flotte besaß randvoll gefüllte Magazine mit Vorräten aller Art, vor allem Lebensmittel. Ein Teil der Schiffe war voll bekohlt. Als begonnen wurde, auch die übrigen Schlachtschiffe mit Kohlen zu beladen, bekamen die Mannschaften schnell mit, dass „etwas im Gange sei“.

Die Vorbereitungen zu dieser Seeschlacht wurden nun gleichsam zum Zündfunken für die explosive Stimmung, insbesondere in den Arbeiterschichten und für die einfachen Soldaten und Matrosen. Rädelsführer in den Mannschaftsdecks riefen zur Meuterei auf und die Besatzungen verweigerten den Befehl weiter auszurüsten.

Das als Hauptunruheherd geltende 3. Geschwader wurde am 31.10.1918 durch den Kaiser Wilhelm Kanal nach Kiel verlegt. Die 48 Aufrührer an Bord der SMS „Markgraf“ wurden verhaftet und in den Festungen der Hafensicherung außerhalb der Stadt Kiel (u.a. Fort Hewart in Holtenau) inhaftiert.

In der Stadt Kiel befanden sich ca. 22.000 Mann bei der Marine. Diese waren fast ausschließlich in Kasernen an Land stationiert. Zusätzlich befand sich in Kiel eine Kompanie des Infanterie Regiments 8 vom Heer. Alle Kasernen lagen bis zu 4 km von der Innenstadt entfernt.

Die Nachricht von der Inhaftierung der Matrosen sprach sich sehr schnell herum. Am Abend des 2. Novembers füllte sich die Legienstraße vor dem Gewerkschaftshaus mit Matrosen und Arbeitern. Hier wurde die Menge von den Rednern dazu aufgerufen, alle Befehle zu befolgen. Nur bei einem Schießbefehl auf eigene Leute sollte in die Luft geschossen werden.

Admiral Souchon, der Chef der Marinestation Ostsee und Gouverneur von Kiel, wusste sicherlich, dass er sich auf die ihm unterstellten Matrosen nicht verlassen konnte. Hektisch wurde herumtelefoniert. Es gab mehrere Sicherungszüge mit Rekruten, die noch am ehesten für Reichs-loyal gehalten wurden. Zusätzlich wurde Infanterie aus Rendsburg angefordert.

Am morgen des 3. November wurden auf SMS „Markgraf“ weitere 57 Mann verhaftet. Im Laufe des Nachmittags versammelten sich immer mehr Menschen, vor allem Matrosen und Werftarbeiter, an der Kaserne im Viehburger Gehölz. Um 16 Uhr löste Gouverneur Admiral Souchon Stadtalarm aus. Er gab telegrafisch einen Lagebericht an das Reichsmarineamt ab und fügte die Bitte an: „… wenn irgend möglich, hervorragende sozialdemokratische Abgeordnete hierher zu schicken, um im Sinne der Vermeidung von Revolution und Revolte zu sprechen.“

Aufgebrachte Demonstranten hielten Ansprachen an die Menge. Man forderte die Freilassung der inhaftierten Meuterer. Die Menge war auf vielleicht 5000-6000 Demonstranten angewachsen.
Auch Matrose Karl Artelt ruft zu „Niederkämpfung des Militarismus und Beseitigung der herrschenden Klasse“ auf.
Man zog los Richtung Bahnhof. Es gab Gerangel mit der Polizei, aber die Ordnungshüter mussten sich zurückziehen.

Bis heute ist nicht ganz sicher, wie es dazu kam, dass ein größerer Teil der Matrosen mit Gewehren aus den Waffenkammern bewaffnet waren. Zwischen 17 und 18 Uhr setzte sich die Menge in Bewegung. Ziel war das Marinegefängnis in der Kaserne am Anfang der Feldstraße und eventuell der Gouverneurssitz bzw. die Kommando Marinestation Ostsee Ecke Lornsen-/Gerhardstraße.

Ein Sicherungszug unter Lt. Z.S. Steinhäuser bezog Stellung in der Karlstraße. Hier kam es dann zu der in unserem Diorama gezeigten Begegnung der Demonstranten mit dem Sicherungszug und der Verletzung des kommandierenden Offiziers.

Wenige Minuten später traf aus Richtung des Betrachters von der Muhliusstraße ein zweiter Sicherungszug ein und die Demonstranten zerstreuten sich.

Über mehrere Stunden fielen noch Schüsse in der Stadt.
Die Lage war unübersichtlich. Am nächsten Tag überstürzten sich die Ereignisse: Die Mannschaften der Marine waren nach und nach geschlossen im Aufstand. Zwischen 13 und 15 Uhr wurde der erste Soldatenrat gebildet. Das Rathaus wurde besetzt. In den folgenden Tagen wurden die Offiziere entwaffnet. Rote Fahnen wehten auf den Schiffen und vor Behörden. Die Bürgermeister wurden von einem Matrosen und einem Soldaten bewacht. Der Aufstand breitete sich über ganz Deutschland aus. Es folgte die Abdankung des Kaisers und die Ausrufung der Republik.

Zu unserem Diorama
Als wir im Frühjahr 2017 mit unserer kleinen Gruppe das erste Treffen zur Projektierung dieses Diorama hatten, war uns noch nicht klar, welcher Arbeitsaufwand auf uns zu kommen würde.
Nachdem erste Diskussionen über die Straßenecke und die vorhandenen Unterlagen im Kieler Stadtarchiv, kam dann die Frage nach den vorhandenen Zinnfiguren für die Schützenkette. Glücklicherweise war Karl Werner Rieger bereit, die entsprechenden Figuren zu zeichnen und zu gravieren. Daher sind folgende Typen entstanden:

Später kam dann noch die imposante 3-Armige Laterne hinzu.
Unser Aufbau entstand zuerst als Pappmodell, um die Wirkung zu überprüfen. Das endgültige Diorama besteht aus unterschiedlichem Sperrholz.
Es wurden über 130 Zinnfiguren gestellt. Die Nachtbeleuchtung besteht aus 30 Leuchtdioden.

Wir hoffen, dass unser Diorama gefällt und dem Betrachter Anlass zum Nachdenken über unsere Vergangenheit gibt.

Text: Olaf Duwe

Quellen:

https://fotoarchiv-stadtarchiv.kiel.de/dokwechs.FAU?sid=2A4A3F42&dm=1
https://de.wikipedia.org/wiki/Kieler_Matrosenaufstand
https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Souchon
https://de.wikipedia.org/wiki/Novemberrevolution